Unter dieser Überschrift arbeitet Anja Völkel aus dem Siegerland überaus erfolgreich mit den unterschiedlichsten ‚Problempferden‘ und ‚Angstreitern‘. “Es zieht sich wie ein Leitfaden durch meine Arbeit: fühlen, erkennen, verstehen und verändern! Man darf nicht nur einen Aspekt betrachten, sondern muss Pferd und Reiter als Ganzes sehen“, erklärt die Trainerin gegenüber ‚Stallgeflüster‘.
Anja, die seit vielen Jahren als Trainerin arbeitet und mittlerweile eine Reihe schwieriger Pferde zu ganz normalen Reitpferden geformt hat, erzählt uns, wie sie zu ihrem Schlüssel- und gleichzeitig ersten Erfolgserlebnis im ‚Umdenken‘ kam.
„Eines Tages sprach mich nach dem Reitunterricht in unserem Stall eine befreundete Tierärztin an. Sie meinte, ich möge mir doch mal ein Pferd anschauen, mit dem die Besitzerin nicht gerade glücklich sei und stellte den Kontakt zwischen uns her. Also machte ich mich auf den Weg, um mir die damals achtjährige Stute anzuschauen.“ „Das, was mir die Besitzerin da vorstellte, war überhaupt nicht harmonisch. Ein völlig hektisches, verwirrtes Pferd. Fest im Maul, fest im Rücken, und kaum reitbar – alle Muskeln waren fest. Feine Hilfen schien sie nicht zu akzeptieren, Galoppieren konnte die Stute nur sehr unsicher, schnell mit extremer Kurvenlage, das war schon ein enormes Risiko. Die Besitzerin hatte mit ihr bereits Unterricht genommen. ‚Das Pferd ist halt so, da könnte man nichts machen‘, sagte man ihr.“
„Ich hab mir das Pferd zunächst vom Boden aus angeschaut und mich dann selbst daraufgesetzt. Das fühlte sich blockiert, fest, hart und schrecklich an. Danach habe ich mit der Besitzerin vereinbart, dass ich zwei Mal wöchentlich vorbeikomme und mit der Stute arbeite.“
„Zunächst war es überaus schwierig Zugang zu diesem Pferd zu finden. Immer wieder habe ich beim Reiten gefühlt, ob alles gut ist, ob ich selbst entspannt genug bin und habe versucht, diesem verwirrten Pferd über gymnastizierende Übungen wie Schenkelweichen, Volten, Übergänge etc. Halt und Vertrauen zu geben. Denn Pferde brauchen Sicherheit, Halt und das Wissen, dass sie etwas richtig gemacht haben. Deshalb ist Lob zur richtigen Zeit und nach einer gelungenen Übung extrem wichtig, um das Vertrauen zu stärken.“ „Nachdem ich diese Stute drei oder vier Mal geritten hatte, kam der Tag, an dem sie plötzlich nach dem Reiten den Kopf zu mir drehte, mit leuchtenden, wachen, interessierten Augen nach ihrer Belohnung suchte und mir damit ihr Vertrauen schenkte. Das war mein Schlüsselerlebnis: Das Pferd hatte verstanden, dass es beim Reiten etwas anderes gibt als Stress, Druck und überforderte Reiter. Von da an war sie vertrauensvoll, kooperativ und veränderte sich auch äußerlich so offensichtlich, dass die Besitzerin häufig gefragt wurde, was sie denn im Umgang mit der Stute verändert hätte.“
„Inzwischen ist die Stute ein ‚ganz normales Reitpferd‘ und geht, da die Eigentümerin im Augenblick nicht so viel Zeit hat, im Freizeitbereich. Das war für mich ein ganz besonderer Moment, als mich dieses Pferd so hellwach und freundlich mit leuchtenden Augen ansah. Ich habe mich dann noch intensiver mit meinem Gefühl für Pferde, der Art des Unterrichtes, des Wohlbefindens und der Gesundheit beschäftigt. Die Weiterentwicklung endet nie! Ich bin immer offen für individuelle Wege und Ideen, die ‚Harmonie‘ zwischen Pferd und Reiter zu stärken.“
„Von Natur aus ist kein Pferd faul, hart oder verspannt. Das hat immer Ursachen, die man aber nur dann findet, wenn man Tier und Reiter als Ganzes betrachtet. Ein offensichtliches Problem zu lösen, heißt nicht, dass man hier auch die Ursache beseitigt hat.“
Die häufigsten Problempferde, die Anja Völkel anvertraut werden, sind solche die Fehlverhalten beim Reiten, Longieren, Führen, Verladen oder Scheren zeigen. „Ich habe es schon erlebt, wie ein sediertes Pferd mit Nasenbremse panisch aus dem Stall gerannt kam. Das geht auch anders. Wenn man es richtig macht, braucht es kein Sedativum. Das habe ich schon vielen Pferdebesitzern zeigen können.“
Derzeit hat Anja einen neuen Fall: Ein permanent steigendes Pferd, das bereits nach der zweiten Arbeitseinheit diese Unart kaum noch zeigte. ‚Stallgeflüster‘ wird diese Arbeit im Auge behalten und weiter berichten. Denn die Pferdefrau hat noch einiges in petto.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm